#TakeCareResidenzen 2020/21

Förderprogram

Für das Förderprogramm #TakeCareResidenzen kooperiert flausen+ (und somit auch das Theaterlabor) mit dem Fonds Darstellende Künste, um mit seinem Stipendiennetzwerk flausen+ freischaffende Künstler:innen zu unterstützen. #TakeCareResidenzen hat zum Ziel, ausgewählte, frei produzierende Künstler:innen und Gruppen, die durch die Covid-19 Pandemie und die Einschränkungen im kulturellen Sektor existenziell betroffen sind, für jeweils mindestens 2 Monate zu begleiten und zu stärken.

Im Folgenden stellen wir vor, welche Residenzen am TOR 6 Theaterhaus mit Unterstützung des Theaterlabors umgesetzt werden.

2. November bis 12. Dezember 2020
Karin Wedeking „Mamma Feminina“

Die Mamma (Brustdrüse) ist ein paariges Organ der Frau, das aus Drüsen-, Fett- und Bindegewebe besteht.
Die weibliche Brust ist aber auch Symbol für Mutterschaft, Weiblichkeit und Sexualität/Erotik. Gleichzeitig wird sie auch immer wieder zum Objekt und Ziel der Zensur. Was ist das eigentlich, was frau da verstecken soll?
Die Brust als wichtiger Teil weiblicher Identität, als Milchquelle, als erogene Zone und als Ort bösartiger Zellwucherungen steht im Zentrum der kreativen Recherche.
Von A wie Anatomie über F wie Femen bis Z wie Zytostatika wird das ABC der Brust untersucht, und einer kreativen Analyse unterzogen.

9. November bis 20. Dezember 2020
Christina Seck „Mechanisches Theater“

Das Lumpentheater (www.lumpentheater.de) Christina Seck ist fasziniert von der Idee des „mechanischen Theaters“.
Bisherige Inszenierungen nutzen Illustrationen, die aus gewöhnlichen Gegenständen als „Pop-Up“ auftauchen. Ist es möglich, diese technisch-mechanische Seite weiter auszubauen oder sogar einen eigenen Theater-Automaten zu generieren? Wie funktionieren historische Vorbilder? Gibt es heute noch aktive Theater-Automaten-Bastler? Wie groß oder klein kann ein solche Apparatur werden? Welche Materialien eigenen sich dafür? Ist eine rein „mechanische Theaterfassung“ denkbar? Können kuriose Kurbeln, zittrige Zahnräder und scheußliche Schalter also wirklich eine poetische Strahlkraft entwickeln?

November und Dezember 2020
Isabel Remer und Pauline Miller „Dark Clown – Methoden für die Ensemblearbeit“

Der von Peta Lily entwickelte Ansatz des Dark Clown beschäftigt sich mit den Abgründen und dem existentiellen Horror menschlicher Existenz. Das Spektrum menschlicher Emotionen wird hierfür in seinen Extremen erforscht. Durch eine möglichst hohe Glaubwürdigkeit in der Darstellung von Schmerz, Qual und Pein und der geschickten Anwendung von Rhythmus, Timing, Musikalität und Zuschauerkontakt soll das Publikum gleichzeitig unangenehm berührt und zum Lachen gebracht werden. Dieses Lachen im Angesicht existentieller Not, beunruhigt und verstört; der Zuschauer kann sich so grundlegenden Fragen zur menschlichen Existenz stellen und eine kathartische Wirkung zu erzielen. Im Rahmen der Residenz werden die Methoden und Techniken der Dark-Clown-Methode theoretisch aufbereitet und ein Trainingsplan für die Ensemblearbeit entwickelt. Dieser wird in Form eines Workshops ausprobiert und ausgewertet.

November und Dezember 2020
Aishe Spalthoff „Mehr als Beruf – das Dorfleben der osteuropäischen Fleischarbeiter:innen“

Ein zentrales Anliegen meiner Arbeit ist, Geschichten sichtbar zu machen, zum Perspektivwechsel einzuladen und unsere vielfachen Verflechtungen miteinander zu thematisieren. Bei meinen bisherigen Arbeiten gab es immer wieder Berührungspunkte zu Arbeiter:innen, die für eine Tätigkeit in der Fleischindustrie mit ihrer Familie nach Deutschland gekommen sind. Geschichten vom erarbeiteten Eigenheim in der Niedersächsischen Provinz und Erlebnisse aus dem Alltag weckten meine Neugier. Die losen Verbindungen aus vorherigen Projekten bilden den Anfang zu meiner Recherche zum Thema Arbeitsmigration: Wie kommt ein rumänischer Familienvater zum Arbeiten in ein deutsches Dorf? Wie sieht der Arbeitsalltag aus, was prägt das Familienleben? Welche Wünsche sind damit verbunden? Welche Feste feiert die Community? Wird im ortsansässigen Fußballverein gespielt? Was sind die Orte, an denen Begegnung entsteht? Die Recherche und Auseinandersetzung bilden die Grundlage für zukünftige Arbeiten.

Dezember 2020 und Januar 2021
Alina Tinnefeld „Broken Fragments – Inspirierende Unperfekte“

Irgendwo im Unterbewusstsein, ganz tief unten, schlummern noch die braven, angepassten, pflegenden, brütenden, umsorgenden, flickenden Frauenbilder. Nicht mehr funktionsfähig, aber dennoch Gefühlswelten prägend.
Da diese langsam an Bedeutung verlieren, wird gerade nach starken und die Welt verändernden Frauenbildern und Heldinnen gesucht. Aber ähnlich wie bei männlichen Helden, fehlt ihnen das Unperfekte.
In der Residenz werden deshalb Dysfunktionalitäten, Ängste, fehlende Impulskontrolle, Faulheit, Beschränktheit, Böswilligkeit, Schrägheiten, Körper in Spannungen, Stimmen im Ausbruch, Musik in Auflösung erforscht.

November und Dezember 2020
Yuri Birte Anderson „Close Distance: Performing Geopoetics“

In Close Distance: Performing Geopoetics erforsche ich poetisch-performative Kunstaktionen (1960-1990) in den ehemaligen Ostblockstaaten und deren Relevanz für zeitgenössische performative Praktiken. Mich interessieren Interventionen im öffentlichen Raum, Happenings, Experimentalfilme, Körperpoesie, Klanginstallationen, die sich mit Zensur, Verfolgung und der Einschränkung künstlerischen Schaffens auseinandersetzten.

Welche unterschiedlichen Formen können wiederentdeckt werden, welche künstlerischen Reaktionen auf zeitgenössische gesellschaftlich-politische Zusammenhänge können entwickelt werden, wenn die Experimente aus den 1960er bis 1990er Jahren als Inspiration genommen werden? Wie könnte eine zeitgenössische interdisziplinäre Performance aussehen, die auf das aktuelle Zeitgeschehen reagiert?

25. Januar bis 12. März 2021
Melanie López López „Achtsamkeit der Emotionen“

Ich möchte einen tiefen Einblick in den Prozess der Erschaffung von Bewegung erhalten, die auf die Achtsamkeit der Emotionen und deren Reaktionen basieren.
Mein Ziel ist es, verschiedene Quellen als Stimuli zu benutzen, um herauszufinden, wie die Emotionen meine tänzerischen Bewegungsabläufe im Bezug auf Dynamik, Muskelspannung und Geschwindigkeit beeinflussen und neue Formen entstehen lassen.

1. Januar bis 28. Februar 2021
Asta Nechajute „How to become … Prepperin“

Die Situation analysieren. Auf das Unvorhergesehene vorbereitet sein. Möglichkeiten ausloten und bis ans Limit gehen. Und wenn alles zusammenbricht, gewappnet sein.

Ich möchte in die Terra der Prepper:innen eintauchen und untersuchen, welche Überschneidungen es zwischen Welten-Bühne und Weltuntergang gibt. Welches Training muss ich durchlaufen? Welche Fähigkeiten benötige ich? Welche Fitness? Und welches Wissen? Reichen Youtube-Videos oder muss ich im Wald ein Bootcamp-Training machen?

Die Pandemie stellt die Welt und einiges, was selbstverständlich war, auf den Kopf. Diese Residenz ist eine Forschungsreise in eine Parallelwelt und soll in kommende Arbeiten einfließen.

Februar und März 2021
Janosch Roloff „Dokumentarisches und politisches Theater in der DDR“

Seit zehn arbeite ich an der Schnittstelle zwischen Dokumentar- und Polittheater. In dem Stipendium untersuche ich nun welche Ausprägungen dieser Genres es in der DDR gegeben hat. Neben den Inhalten der Projekte und den Biografien der Beteiligten interessiert mich das Spannungsverhältnis zwischen Kultur und Herrschaft. Die Fragen ob es Selbstzensur der Kunstschaffenden gab, ob sie Codes herausgebildet haben. Welche Wege politisches Theater nehmen musste und welche ästhetische Lösungen die Kunstschaffenden gefunden haben. In meiner Suche beziehe ich mich nicht nur auf staatliche Kulturinstitutionen, sondern vor allem auch auf freie Formate, wie Laienspielgruppen, Wandertheater oder Betriebstheatergruppen.

Februar und März 2021
Ilona Pászthy „Choreografisches Arbeiten mit dem Medientool ISADORA“

In meiner künstlerischen Arbeit interessiert mich von Anfang an die Schnittstelle zwischen dem, was mir vertraut ist, und dem, was ich nicht kenne. Für mich ist jedes neue Element in meiner Arbeit wie ein*e neue*r Partner*in, eine Herausforderung, die ich kennen und verstehen lernen will, die mich an Grenzen führt und neue Möglichkeiten eröffnet. Deshalb interessieren mich in der Inszenierung auch die Installationen, die immer wieder neue Aspekte in den Vordergrund rücken, ja nach dem, an welchem Punkt man sich befindet. Das Verschwinden und Entstehen ist dabei ein zentraler Aspekt.
Die ISADORA-Videoumgebung ist so eine Herausforderung für mich. Inspiriert von dem Vorgang des „Verschwindens“ in einer sich rasant wandelnden Welt, dem Vormarsch der Digitalisierung, die speziell in Zeiten von Corona die kulturellen Arbeit und unser künstlerisches Handeln bestimmt, will ich die Möglichkeiten choreografischen Arbeitens mit der grafischen Programmierumgebung ISADORA erforschen. In der Begegnung mit Videokünstler*innen und Einsatzbereichen gehe ich auf die Suche nach  den Potenzialen dieses Programmes und dem verbindenden Element zu meiner choreografischen Sprache. 

Online-Abschlussveranstaltung „See you soon and take care!“ von flausen+

Zeit: 17.06.2021, 18 Uhr –19:30 Uhr

Webseite www.flausen.plus

Im Rahmen des Förderprogramms #TakeCareResidenzen hat der Fonds Darstellende Künste zusammen mit dem Theaternetzwerk flausen+ sowie dem Bündnis internationaler Produktionshäuser Künstler:innen bundesweit unterstützt. Allein durch das Bundesnetzwerk flausen+ konnten 2020/2021 bundesweit 350 Künstler:innen finanziell mit jeweils 5.000 Euro für 2 Monate unterstützt werden, um künstlerische Recherchearbeiten durchzuführen. Dabei haben das Theaternetzwerk flausen+ und das Bündnis internationaler Produktionshäuser mit ihrem Know-How bei der Koordination, Vernetzung und Beratung von Künstler:innen geholfen. Am 17.6.2021 um 18 Uhr blickt flausen+ zurück auf das erfolgreiche und absolut notwendige Programm. In der kostenlosen Online-Veranstaltung werden Akteur:innen vorgestellt und künstlerische Beiträge gezeigt, die durch die Förderung entstanden sind. Dazu wird es einen Redebeitrag von Holger Bergmann, Geschäftsführer Fonds Darstellende Künste, geben.Neben dem theater wrede + werden auch das Societaetstheater Dresden und das Meta Theater Moosach als kooperierende Residenzhäuser von flausen+ live dabei sein.Weitere Informationen finden Sie unter: https://flausen.plus/

Die mittlerweile bundesweit anerkannte Kompetenz von flausen+ reicht auch über die Ländergrenzen hinaus. Mit dem Theaternetzwerk und Nachwuchsprogramm hat sich flausen+ international ebenfalls einen Namen gemacht. Denn das vom theater wrede + aufgelegte und bundesweit initiierte Programm flausen+ ist einzigartig in seiner Vernetzung von freischaffenden Künstler:innen mit kleinen freien Theatern vor allem abseits von Ballungsgebieten. Hinter dem Theaternetzwerk flausen+ steht ein bundesweites Netzwerk von 26 kleinen und mittleren Theaterhäusern. flausen+ gibt als Nachwuchsförderprogramm professionellen darstellenden Künstler:innen u.a. die Möglichkeit, durch eine Forschungsresidenz ein Thema oder eine Form frei von Aufführungs- und Ergebniszwängen zu erforschen und erproben zu können.

Gefördert vom Fonds Darstellende Künste aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien im Rahmen von NEUSTART KULTUR.